Debatte der Bundestagskandidaten im KGH

Am Donnerstag, den 16.09.2021, versammelten sich im Forum des Kreisgymnasiums St. Ursula Haselünne die Spitzenpolitiker der Region zur „ersten größeren und auch öffentlichkeitswirksamen Veranstaltung“ seit der Renovierung, so Schulleiter Norbert Schlee-Schüler.
Die Spitzenkandidaten der im Bundestag vertretenen Fraktionen waren gekommen, um den Haselünner Gymnasiasten ihre politischen Überzeugungen und Ziele darzulegen. Für Albert Stegemann (CDU), Dr. Daniela De Ridder (SPD), Everhard Hüseman (Grüne), Jens Beeck (FDP) und Danny Meiners (AfD) hatte der Politik-Grundkurs der Jahrgangsstufe 12 Themen, Fakten, Fragen vorbereitet. Helmuth Hoffmann von der Linkspartei musste leider aus terminlichen Gründen absagen.

Während die Jahrgänge 12 und 13 der Debatte im Forum folgen konnten, war dies der restlichen Schülerschaft aus Infektionsschutzgründen nicht möglich. Um aber allen interessierten Schülerinnen und Schülern ab Klasse 8 eine zumindest virtuelle Teilnahme zu ermöglichen, haben die Techniker des Kreisgymnasiums unter Leitung von Michael Dohmen einen stabilen Livestream mit Bild und Ton in alle angeschlossenen Klassenzimmer ermöglicht. Doch damit nicht genug: Über eine integrierte Messengerfunktion waren auch Rückmeldungen aus den Klassenräumen möglich, was im Rahmen der offenen Fragerunde intensiv genutzt wurde.

Eingangs jedoch mussten sich die Profis den Ergebnissen der vorab durchgeführten Wahlsimulation stellen; alle Schülerinnen und Schüler ab Klasse 8 hatten die Möglichkeit, ihre Stimme abzugeben – wobei Albert Stegemann (CDU) am Ende mit 33% knapp vor Everhard Hüseman (Grüne) lag. Ein Vergleich mit den Ergebnissen aus der Wahlsimulation des Jahres 2017 zeigte große Verluste für die CDU, kleinere für die SPD, während vor allem die Grünen aber auch die FDP zulegen konnten. Albert Stegemann konstatierte, dies entspreche relativ deutlich dem Bundestrend. Er freue sich aber auf „Inhalte statt politischer Nebensächlichkeiten“ und sei „felsenfest davon überzeugt“, dass die CDU in den letzten zwei Wahlkampfwochen noch mit nachhaltigeren Lösungsvorschlägen überzeugen könne.

Das erste inhaltliche Thema lautete: „Tempolimit 130 – ein sinnvoller Beitrag zum Klimaschutz?“ Während der Grundkurs Politik recherchiert hatte, dass die Einsparungen in Höhe von 1,9-2,0 Mio Tonnen CO2 bezogen auf die Gesamtemissionen der Bundesrepublik lediglich einen Nulleffekt hätten, sprach sich Everhard Hüseman für eine Geschwindigkeitsbegrenzung auf Autobahnen aus: Er sei auch für Tempo 120 offen. „Wir werden den Fuß vom Gas nehmen müssen, wir werden sparen müssen, wir werden entschleunigen müssen“, mahnte der Kandidat der Grünen, wobei aus ökologischen wie ökonomischen Gründen batterieelektrische Mobilität das Mittel der Wahl sei. Danny Meiners von der AfD hingegen bezeichnete ein Tempolimit als unnötig, da Deutschland „die sichersten Autobahnen der Welt“ habe; Geschwindigkeitsbegrenzungen seien „Einschränkungen der Freiheitsrechte“, die er nur bei Sicherheitserwägungen als sinnvoll ansehe.

Im weiteren Verlauf der Debatte befragten die Moderatoren, die Politik-Lehrer Robert Rühlmann und Markus Schaefer, die anwesenden Politiker zu „Fehlverhalten und Fehlern in der Politik“. Befragt zu Wirecard, Cum Ex und dem Abzug aus Afghanistan, verteidigte Dr. De Ridder ihren Parteifreund Heiko Maas und bezweifelte im Gegenzug die Integrität des CDU-Kanzlerkandidaten Armin Laschet, der Klausuren verloren, „Noten nach Gusto“ vergeben habe und nun wage, für das Amt des Bundeskanzlers zu kandidieren. Politiker, so De Ridder, seien zwar keine Engel, trügen aber Verantwortung und müssten auch Vorbilder sein. In der Debatte müsse aber zwischen „moralisch empörendem“ und strafrechtlich relevantem Verhalten unterschieden werden. Auch Jens Beeck von den Liberalen forderte eine stärkere Differenzierung. Bei „Kleinigkeiten“ wie einer verpassten Anmeldung zur Beerdigung durch den thüringischen Ministerpräsidenten Ramelow müsse man bedenken, dass Politiker auch nur Menschen seien. Wer aber ein politisches Amt für persönliche Vorteile ausnutze, um beispielsweise in der Corona-Pandemie sechs- bis siebenstellige Gewinne zu machen, solle „harte Sanktionen“ erfahren; so sei nach dem Abgeordnetengesetz der Einzug solcher Gewinne möglich. Wenn die CDU da sage, die Politiker seien aus der Partei ausgetreten, reiche ihm das nicht aus.

In der abschließenden offenen Fragerunde stellte unter anderem Tyler Zuchgan aus der 10b über das Messengersystem die Frage an das Plenum, in welchen Bereichen die Direktkandidaten die Digitalisierung für wichtig halten und wo diese konkret umgesetzt werden müsste. Hier bestand breite Einigkeit, dass 5G und „Glasfaser bis an die letzte Milchkanne“, so Everhard Hüseman, die Grundlage für die Zukunft bildeten. Als Ziel für die nächste Legislaturperiode stehe insbesondere die öffentliche Verwaltung auf der To-Do-Liste. Albert Stegemann von der Union kündigte an, dass Deutschland hier „durchdigitalisiert und verschlankt“ werde.

Die Rückmeldungen aus der Schülerschaft zur 90-minütigen Veranstaltung sind grundsätzlich positiv. Raum für Veränderungen besteht aber dennoch: „Vielleicht hätte man die Debatte für drei statt zwei Unterrichtsstunden planen können, um bei den Themen noch stärker in die Tiefe zu kommen“, regt Paulina Ipe (Jahrgang 12) an. Und Johanna Bruns (ebenfalls Jahrgang 12) ergänzt, dass die direkte Teilnahme im Forum Vorteile bot: „Frau Dr. De Ridder hat beispielsweise intensiv durch Gestik und Mimik mit dem Publikum kommuniziert. Das sieht man aber natürlich nur, wenn man nah genug dran ist.“