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Gut zu wissen Tafel 7-9

Feindbild Nonne oder Mönch

Ab 1940 ließen die Nationalsozialisten hunderte Klöster schließen. Diese Maßnahme geht auf eine Weisung Martin Bormanns durch einen Geheimbefehl vom Januar 1941 zurück, in dem den Gauleitern eine Vollmacht zur Beschlagnahmung von Klostergut erteilt worden war.

Der katholischen Kirche standen die Nationalsozialisten ablehnend gegenüber. Ihr gesellschaftlicher Einfluss, den sie auch durch Vereine, Kindergärten und Schulen ausübte, widersprach der nationalsozialistischen Weltanschauung. Besonders feindselig standen die Nationalsozialisten Klöstern gegenüber, konnten sie doch in die abgeschlossenen Gemeinschaften aus Mönchen oder Nonnen kaum vordringen. Als besonders gefährlich wurden Klöster eingeschätzt, die mit Kindern und Jugendlichen arbeiteten, da hier ein direkter Einfluss durch die Kirche auf die Gesellschaft stattfand, der sich der Kontrolle und der Propaganda der Nazis entzog.

Heute wird die Rolle der katholischen Kirche im Nationalsozialismus kontrovers diskutiert: Im Zentrum der Diskussion steht das Schweigen Papst Pius XII. zur Verfolgung und Vernichtung der Jüdinnen und Juden in ganz Europa. Zwar halfen und versteckten einzelne Mönche, Nonnen und Priester Verfolgte, doch ein Einschreiten seitens des Vatikans oder eine offizielle Positionierung gegen die Vernichtung von Millionen von Menschen erfolgte nicht. 

Eine Äbtissin wehrt sich

1939 ließen die Nationalsozialisten eine erste Oberstufenklasse der Klosterschule auflösen. Dies geschah aufgrund eines Erlasses, mit dem alle privaten Schulen in öffentliche umgewandelt werden sollten. In Haselünne war es ein erster Schritt zur Schließung der Mädchenschule, die die Nationalsozialisten erreichen wollten.

Zu diesem Zeitpunkt war es der Schulleiterin Mater Theresia Breme schon einige Zeit nicht mehr möglich, die Schule frei und selbstbestimmt zu führen. Die Überwachung von staatlicher Seite nahm stetig zu.

An Ostern 1939 erhielten die Schwestern die Nachricht, dass die Mädchenschule zu Ostern 1940 der Meppener Oberschule weichen müsse. Die Schulleiterin protestierte vehement und sandte Protestschreiben an die Regierung der Provinz Hannover – mit Erfolg! Die Schulschließung wurde vorerst abgewandt.

Doch im Sommer 1941 kam es zur Hausdurchsuchung durch die Gestapo und es wurden vermeintlich britische Flugblätter gefunden. Die Schwestern wurden zu Staatsfeinden erklärt. Außerdem wurde geschossener Salat – also schon blühender und Samen bildender Salat – und keimende Kartoffeln entdeckt. Salat und Kartoffeln waren in diesem Zustand ungenießbar geworden – dies galt als „Vernichtung von Volkseigentum“ und den Schwestern wurde das „Verschleudern von Volksvermögen“ vorgeworfen. Mit Hilfe dieser von der Gestapo konstruierten „Beweismittel“ gelang es den Nationalsozialisten, das Kloster, die gesamte Ausstattung und das Grundstück zu beschlagnahmen und Schwestern und Schülerinnen binnen 24 Stunden zu vertreiben. Den Schwestern wurde vorgegeben, dass sie sich von nun nicht mehr bis auf 100 Kilometer dem ehemaligen Kloster nähern durften.

Haselünne in der NS-Zeit

Hartnäckig hält sich das Narrativ, im katholisch geprägten Emsland und auch in Haselünne habe die Bevölkerung den Nationalsozialismus geschlossen abgelehnt. Dies stimmt so pauschal jedoch nicht. Schon 1929 gab es in Haselünne eine NS-Jugendgruppe aus sechs Personen, die Kern der ersten NSDAP-Ortgruppe im Kreis Meppen wurde. 1930 wurden die ersten NS-Veranstaltungen in der Stadt abgehalten. Und auch bei den Reichstagswahlen konnte die Partei in Haselünne und im Landkreis Meppen immer mehr Wähler:innenstimmen auf sich vereinigen. 1933 wurde in Haselünne der zur Zentrumspartei gehörende Bürgermeister abgesetzt und durch NSDAP-Mitglied Heinrich Heydt ersetzt. Im Jahr 1938 existierten in der Stadt u. a. eine Ortsgruppe der NSDAP, ein SA-Sturm, eine SA-Reiterschar sowie eine HJ-Gefolgschaft. Nationalsozialistische Hetze gegenüber den jüdischen Mitmenschen setzte auch in Haselünne früh ein: Der Aufruf zum Boykott von Geschäften mit jüdischen Inhaber:innen fand auch hier am 1. April 1933 statt und war nur einer von vielen Schritten, Jüdinnen und Juden aus dem wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Leben zu verdrängen, zu ruinieren und sie schließlich zu deportieren. In der Pogromnacht 1938 wurden die Fensterscheiben jüdischer Geschäfte eingeworfen. Gegenstände für den Gottesdienst aus dem Betraum der Gemeinde wurden verbrannt. Die jüdischen Männer der Stadt wurden verhaftet und ins Konzentrationslager Sachsenhausen gebracht. Als 1943 Möbel jüdischer Familien aus den Niederlanden in die Stadt gebracht wurden, nutzten Haselünner Bürger:innen die Gelegenheit zum Kauf dieser Möbel.

Harte „Vorauslese“

Die Jungen, die als „Jungmannen“ in die NPEA aufgenommen werden sollten, mussten nach einer sogenannten „Vorauslese“ anhand eingereichter Unterlagen eine acht- bis zehntägige Eignungsprüfung vor Ort über sich ergehen lassen. Neben schulischen Prüfungen standen auch das Verhalten des Einzelnen und sportliche Übungen auf dem Plan. Ein Zeitzeuge berichtete, dass auch Mutproben von den Jungen eingefordert wurden. So musste unter anderem von der Kletterwand der Turnhalle gesprungen werden.

NPEAs auch für Mädchen

NPEAs gab es nicht nur für Jungen, auch für Mädchen existierten solche Erziehungsanstalten – jedoch in geringerer Anzahl: drei NPEAs für Mädchen standen 35 für Jungen gegenüber. Der Schulunterricht in der NPEA Emsland war Gymnasialunterricht. Dies war in nur vier NPEAS der Fall. Die restlichen Anstalten unterrichteten nach dem Lehrplan der Oberschule.

Kein Entkommen

Ein Zitat Adolf Hitlers aus dem Jahr 1938 zum Umgang der Nationalsozialisten mit jungen Menschen und ihrer geplanten lebenslangen Einbindung in das NS-System mit all seinen Organisationen verdeutlicht auch den Zweck, der hinter der Einrichtung der NPEAs und aller nationalsozialistischen Organisationen stand: „Und sie werden nicht mehr frei ihr ganzes Leben und sie sind glücklich dabei.“ (Adolf Hitler) Das Ziel der zukünftigen völligen Einbindung der „Jungmannen“ in die Parteiorganisationen stand auch in der NPEA Emsland an erster Stelle. So äußerte sich die Gauleitung Weser-Ems 1942 zum Ziel der NPEA Emsland, dass „Jungmannen“ erzogen werden sollten, die später – egal welchen Beruf sie ergreifen – „…[keine] höhere Verpflichtung mehr kennen, als ihr ganzes Leben in den Dienst des deutschen Volkes zu beweisen.“ Und weiter: „Hinter der Vielgestaltigkeit des Anstaltslebens steht unverrückbar ein Ziel, das alle Zweige unserer Ausbildung zu einer großen Einheit zusammenschließt: ´Ein Leben für Deutschland! `“ Zitate aus Gerhard Kaldewei: Schwierige Schauplätze. (NS-)KultStätten in Nordwestdeutschland, Oldenburg 2016, S. 129-130.

Das Schicksal zweier Schülerinnen der Klosterschule

Bis 1939 besuchten die beiden jüdischen Mädchen Anneliese Steinburg und Ilse Fiebelmann die Klosterschule. Beide Mädchen überlebten den Holocaust. Ilse Fiebelmann wanderte 1939 gemeinsam mit ihren Eltern nach Kanada aus. Anneliese Steinburg überlebte ihre Deportation nach Auschwitz und wanderte nach dem Ende der NS-Zeit nach Israel aus. Anneliese war die Tochter von Israel und Minna Steinburg und die Nichte von Samuel Steinburg. Sein Haus in der Nordstraße 2 war 1939 zu einem sogenannten „Judenhaus“ umfunktioniert worden. Im Dezember 1941 meldete sich Samuel mit seiner Frau nach Osnabrück ab. Von dort aus wurden sie deportiert. Das Haus Samuel Steinburgs wurde 1942 zum Wohnhaus des NPEA-Leiters Derk de Haan.

Geplanter Umbau der Klosterkirche

Im Zuge der Nutzung des Klosters als NPEA wurden Pläne entwickelt, die Klosterkirche umzubauen. Im Erdgeschoss sollten Waschräume eingerichtet, im Obergeschoss ein Schlafsaal eingebaut werden. Ein Schriftwechsel des Osnabrücker Bischofs mit den Behörden zeugt vom vehementen Einsatz seitens des Bistums, die Klosterkirche für die Gemeinde zu erhalten. Letztendlich ging das Umbauprojekt nicht über die Planungsphase hinaus. Ob es nicht zur Umsetzung kam, da der Krieg und die Nazi-Herrschaft sich dem Ende zuneigten oder weil den Verantwortlichen bewusst war, dass der Umbau der Klosterkirche den Unmut in einigen Teilen der Bevölkerung weiter anfachen würde, ist nicht klar.

Formung gehorsamer Nationalsozialisten

In allen NPEAs gab es ein aufwändiges Sportprogramm, das auf Abhärtung und militärischen Drill abzielte und mit teilweise hochwertigem Sportgerät ausgestattet war. Einige Anstalten boten Segelfliegen und Motorradfahren an, ein Angebot, das es in Haselünne nicht gab. Hier wurde auf der Hase gerudert, ein Schwimmbecken wurde angelegt, in dem bei 15 °C kaltem Wasser geschwommen werden musste, und es wurden Pferde zum Reitunterricht angeschafft. Bei Fahrten im Sommer, zum Beispiel auf die Insel Juist, wurden in den Dünen Kriegsübungen durchgeführt, bei denen die Schüler Granaten werfen mussten, wie ein Zeitzeuge berichtet. All dieser Unterricht zielte darauf ab, eine kämpferische und soldatische Elite zu schaffen und folgte dem Motto: „Gelobt sei, was hart macht“, mehr Sein als Schein“, ein deutscher Junge weint nicht.“ Dazu gab es ein ideologisches Programm, das die Jungen durch Vorträge auf die Weltanschauung des Nationalsozialismus einschwören sollte. Die ganzheitliche Ausbildung, als „Dienst“ betrachtet, sollte die „Jungmannen“ zu gehorsamen Nationalsozialisten formen.

Ende der NPEA Emsland

Im Januar 1945 begann mit der nahenden Front die Auflösung der NPEA Emsland. Der erste und zweite Zug der „Jungmannen“ wurden nach Bad Essen verlegt, ältere Schüler kamen nach Plön. Jüngere Schüler, deren Eltern nicht in direkt vom Krieg betroffenen Gebieten lebten, durften nach Hause zurückkehren. Erfreut waren sie darüber nicht, sahen sie die Heimkehr doch als das Im-Stich-lassen ihrer Schulkameraden an.